Freitag, 16. Juli 2021

Prof. Franz Rupperts GEGEN-BGE "Argument" in der Beschau

 Zitat des Traumatherapeuten Pof. Franz Ruppert von der Seite:

https://www.franz-ruppert.de/jahresuebersicht/offene-abende/was-will-ich-politisch-juli?fbclid=IwAR3MTHaI1Mv39ni18QfjtjBr3LlSNq2aF3WMVcSeavl5Jp5fVeFJJ5duSo0

"Z.B. wurde beim Treffen am 1.7. klar, dass der Wunsch nach einem bedingungsloses Grundeinkommen die Suche nach emotionalem Halt sein kann, den jemand von den eigenen Eltern nicht bekommen hat. Das ist existenzbedrohend für ein Kind. Dieses Trauma kann jedoch durch ein Grundeinkommen nicht geheilt werden. Durch ein Grundeinkommen, das immer an die Bedingungen der Geldgeber geknüpft sein wird, bleibt jemand in seiner kindlichen Abhängigkeit gefangen. Die Basis für eine gesunde Gesellschaft ist daher nicht der Staat, sondern sind Eltern, die ihren Kinder Liebe und Halt geben wollen und können. Durch IoPT können zudem kindliche Traumata effektiv geheilt werden."

Eine BGE-Gruppe auf Facebook fragt sich, wie man darauf, auf die "Argumente" reagieren könnte.


Ein paar Antworten von mir.



Ich denke, bevor man mit ihm (weiter)diskutiert, muss man ihm erklären, was BGE eigentlich ist. Es ist eben KEIN ALMOSEN, sondern ein MENSCHENRECHT. Als "Stück Land" oder "Jagdgrund", was jedem menschen an sich zustünde für seine Selbstversorgung auf der Höhe unserer Zeit... angesichts seiner Einstufung, dass BGE "elternabhängigkeitstrauma" sei, frage ich mich, in welch tiefem Trauma ER steckt, sofern er gar nicht in das "Grundrechtedenken" kommt, wenn man es ihm genauer erklärt. Aber dazu müsste wie gesagt erstmal dieses Missverständnis geklärt werden. Neulich mit einer fremden Person über sowas gesprochen, da hat es sich offenbar für sie als erhellend erwiesen, BGE nicht als "besseres und bequemeres Almosen" sondern als Menschenrecht zu erklären... sie meinte "so habe ich das ja noch nie gesehen, klingt interessant".

"Abhängigkeit vom Arbeitsmarkt" aka "ich bin nur lebensbedürfnisversorgungswert, wenn ich anderen einen bezahlten Mehrwert bringe", ist ein noch größeres Trauma (unerfüllter) Elternzuwendung, als wenn ich durch meine Eltern schon von klein auf gelernt habe, dass ich bedingungslos in meiner Existenz "nur weil ich da bin" gewertschätzt wurde und in diesem Bewusstsein auch alle Ressourcen der elterlichen Wohnung (mit) nutzen konnte, mir also mein Recht auf Abendbrot nicht erst bei ihnen verdienen musste.

Anderer Ansatz, den ich auswalze:
Ruppert hat Recht - doch ich leite daraus andere Konsequenzen ab.

BGE kann Suche nach emotionalem Halt sein  - warum nicht - gutes Essen hält Leib und Seele zusammen, (traumatisierte) Menschen brauchen Halt - warum sollen sie den nicht finden können - unabhängig davon, wie die elterlichen oder kleinfamiliären Verhältnisse waren oder sind - Menschen sind soziale Wesen und nicht nur in der engverwandten biologischen Sippe aktiv, sie können sich auch als Freunde, Solidargemeinschaft oder hinterbliebene aus nicht mehr lebendigen oder intakten Familien zusammenfinden, neue Bindungen aufbauen etc. pp.

Problematisch sehe ich BGE-Bestrebungen als (defizitäre) Charaktereigenschaft zu framen und damit indirekt auf eine "Abtrainierung" oder "Wegtherapierung" solcher Ideen zu hoffen, statt Anspruchsfragen und Besitz- sowie Zugangsfragen rechtlich und gesellschaftlich zu klären. ("du bist doch ein krankes Element, das man nicht ernstnehmen muss, das Fehlen von materiellen Gütern und deine Forderung danach ist DEIN Emo-Trauma, deine "Macke", während "die Normalen und Gesunden" sich solchen Irrsinn wie BGE nie einfallen lassen würden"...)


Zu sagen: Eltern haben nicht gegeben, was einem fehlt(e) rein emotional, um damit materielle Knappheit zu erklären, wäre ein sehr verkürztes und sinnfalsches "Argument". 

Prof. Rupperts Forderung, ein BGE nicht zu fordern, sondern stattdessen intakte Familien, ist ähnlich geartet wie:
"ich will kein Essen, ich will stattdessen eine Wohnung!" Natürlich brauche ich beides - das eine vielleicht dringlicher als das andere, je nachdem wie kältebeständig ich bin, wie ich mich (aus der Natur) ernähre oder beschenkt werde... je nachdem ob ich ein Haus selber bauen kann und v.a. in unserer Gesellschaft DARF...

Ich aber meine: BGE FÖRDERT intakte Familien - und ermöglicht auch den (noch) nicht oder nicht mehr intakten Familien, sich neu zu sortieren, sich als Familienmitglied aus toxischen Beziehungen zu emanzipieren und verurteilt nicht Menschen lebenslang, aufgrund einmal schief gelaufener Startphase "immer" zu leiden oder neue Abhängigkeit von "rennomierten Traumatherapeuten" und deren unterschiedlichen Ansätzen zu entwickeln.
Mit BGE kann ein Mensch sich jahrelang Zeit für sich selber nehmen und seine emotionalen Bedürfnisse und Ungenährtheiten ergründen, versorgen, behandeln - er muss nicht nach der Arbeit sich über alles ausheulen, was er auf der Arbeit verdrängt hat, um seine Miete zu zahlen.

Ich frage mich ferner, ob Prof. Ruppert es begrüßen würde, wenn wir statt BGE höflich von der Obrigkeit aka "Elternprojektion" zu erbitten als zeitgmäße (R)evolution, eigenmächtig Häuser besetzen und Land nehmen würden - oder sich halt Menschen ihre Freiräume physisch erkämpfen? Was sagt Herr Ruppert dazu, wenn Autonome oder Individual-emanzipierte Menschen "beigeordnete Ersatzeltern" wie den Vater Staat eben nicht anerkennen? Sprich wenn wir uns alle selber versorgen wollen, dabei aber Hindernisse erleben wie den Fiskus oder fehlende Baugenehmigungen, Behördenseitig gestarteten Kleinkrieg. Viele, die ihre "Pubertät gegebüber einer bevormundenden Gesellschaft" ausleben und nicht bereits in privilegierter oder befriedigender Position sitzen, haben gar nicht um "Ersatzeltern" gebeten, sondern haben eher subjektiv das Problem, diese sich vom Hals zu halten. Ich zähle da auch viele Strategien von Behördeninfragestellung dazu, die von den Behörden selber gemein(hin) als "Reichsbürger" gelabelt werden, unabhängig vom ideologisch oft abweichenden Ziel solcher Befreiungsbemühungen ohne "völkische Kaiserreichromantik".
Natürlich betrifft das Problem der Intervention ungebetener Ersatzeltern vor allem viele als linksradikal verbrämte und kriminalisierte Kämpfe für soziale Gerechtigkeit, gegen Verdrängung, automomes und selbstorganisiertes Leben. Es mag Persönlichkeiten geben, die halt in ihrer Seele "durch ein Elterntrauma" dazu berufen sind, sich ohne eigene Betroffenheit in einen Konfliktherd zu begeben, es kann aber auch Ausdruck von "ich mache das Notwendige" sein oder aber die Eltern kommen von sich aus autoritär angerückt, ohne dass man selber naiv träumerisch sein Utopia bauend mit den Ressourcen von Stadt und Land, um deren Eingriff gebeten hätte ;-)

Ürbigens: manche BGE-Befürwortende teilen die Gleichsetzung "Kind sein" mit BGE - und zwar lebenslang "Kind dieser Erde sein" und daher "lebenslanges Kindergeld für jeden" sich zuzubilligen! Also nicht lebenslangen Unterhalt in Abhängigkeit von den biologischen Eltern. Damit Eltern emotional unbelastet geben können, dürfen sie nicht in staatlich verordneter Unterhaltspflicht sein, der sie nur schwerlich oder mit eigener Verarmung nachkommen können (und dann ihre Kinder als Grund angeben, warum sie "die Füße still halten, alles mitmachen, was von oben angewiesen wird, sich nach dem Gelde recken und strecken und nicht nach Moral und Gewissen ihre (beruflichen oder Konsum-) Entscheidungen treffen zu können.

Übrigens: die Unterhaltsthematik ist etwas, was ja schon zu vielen Familienkonflikten bis hin zu Kinderfeindlichkeit führt (z.B: "wirtschaftlich belastende Kinder oder Karrierehemmnisse" abtreiben, obwohl abgesehen vom Geld Kinderwunsch bestünde... Unterhaltsforderungen durch "Vater Staat", die menschliche Väter und Mütter und deren Beziehungen zu Trennungskindern belasten sowie Konflikte um den Aufenthalt und die Haushaltszurechnung der Kinder).


Weiter zu "Halt finden im BGE" - da kann man Prof. Ruppert ggf. auch im Positiven Recht geben:
super, das ist in einigen mir bekannten Fällen bereits positiv geglückt, nämlich dass suizidgefährdete hoffnungslose, die von niemandem äußerlich mehr erreicht wurden, allein aufgrund der IDEE des BGE aktiv wurden und sich gesünder fühlten als vor dem Gedanken und dadurch dann Selbstwirksamkeit erlebten.

Kritisch sehe ich dagegen die Suche nach emotionalem Halt in heute für selbstverständlich genommenen künstlichen Abhängigkeitsstrukturen - etwa von zahlender Kundschaft, Fans, Klicks, sozialem Status, dem Muss, in einer äußerlich nachvollziehbaren Partnerschaft zu leben... Wer sich der gesellschaftlich "verordneten Anerkennungssucht" (bewusst) verweigert, also demnach erwachsen, autark und gesund in der Seele ist, hat schnell wirtschaftliche Nachteile bis hin zu Obdachlosigkeit. In dem Sinne ist es erwachsen, einmal das jetzige Verteilungs- und Teilhabeproblem anzuschauen, das Problem der (nichtenden) Konkurrenz und das der (Wettbewerbs)verdrängung... die ganzen infantil nicht erlösten Traumata, die uns in Behörden, Ämtern und vielen Arbeitsverhältnissen und den darin beschäftigten begegnen...
"in BGE Halt suchen" sehe ich da nicht als Problem, sondern als ersten Schritt, ein gesellschaftlich verordnetes und nicht nur von den Eltern geschaffenes und immer wieder tradiertes Trauma der "nicht anerkennung" zu überwinden. 

Übrigens: mit BGE ist nicht der Staat "der da oben", der das Sagen hat und über unser Leben bestimmt. Im Gegenteil, mit BGE sind wir (so aktiv wir halt sind) selber "der Staat"! BGE ist auch für das Individuum Demokratiepauschale, Streikgeld und Eintrittsgeld in anarchische bzw. herrschaftsfreie Verhältnisse (was freiwillige und technisch nützliche Hierarchien nicht leugnet, diese aber nicht zum unverrückbaren Dogma macht). 

Verantwortung für gesellschaftliche und persönliche Veränderung kann dann in einer Welt, in der jedeR ein real verfügbares Menschenrecht auf die Absicherung und Gestaltung der eigenen Existenz hat, eben NICHT MEHR so einfach irgendwelchen "Eltern"- Figuren übergeholfen werden.  

Wenn ich eine Sache verändern will, kann ich logischerweise nur bei mir anfangen - anders als ohne BGE hat das aber gravierendere Auswirkung, weil ich nicht über meinen braven Gang zur Arbeit zurechtgeregelt werden kann, sondern mir die Arbeit zurechtregele in einem Diskurs auf Augenhöhe mit meinem Mitmenschen.

Wenn Herr Prof. Ruppert das BGE so kritisch sieht, frage ich mich, als was er (Stellvertreter) WAHLEN sieht oder Herrschaft schlechthin?

Heutiges Hartz IV hingegen macht sowas: es fördert, dass man sich aus Schutz vor Konflikten, die emanzipatorisches Auftreten mit sich bringt, lieber freiwillig und künstlich in eine (übertrieben) kindliche Rolle begibt, in der man "nach Anweisung und Rechtleitung fragt" nur eben nicht in Urvertrauen in Eltern, Natur oder "den lieben Gott", sondern in Stressvermeidung (=Überlebensmodus). Von daher mag die (vielleicht von uns missinterpretierte?) Aussage Rupperts auf ein (ggf. leicht erhöhtes) Hartz IV zutreffen, nicht aber für das, was wirklich mit BGE gemeint ist. Die Frage ist wirklich: macht Ruppert eine Aussage über BGE-Aktive, die er persönlich so einschätzt, oder sieht er das BGE selber wirklich so, dass es nur Leute "denken können" und "fordern können", die er lieber anderweitig (für den Arbeitsmarkt?) konform-therapieren möchte?

Man könnte auch so argumentieren: Ruppert hat insofern recht, als dass BGE nicht vorhandene Traumata (in der Familie) automatisch heilt (wie es auch andere Probleme nicht löst, sondern Lösungspotential freigibt, weil eine andere Entscheidungsgrundlage vorliegt etwas zu tun oder zu lassen), aber es entzieht der schaffung weiterer Traumata ggf. den Nährboden, etwa der "typischen Methode" dass Eltern im Existenzkampf/Stressmodus ihre Kinder routiniert beiseite schieben und im "ich muss doch arbeiten" Gefühl selber gar nicht merken, was sie nachhaltig ihren Kindern antun. Also es mag Leute geben, die aus Rupperts Gründen das BGE rein als Rettungsanker sehen (und wenn ja, wäre es nicht seine Aufgabe, diesen "ersatzlos abzuschneiden"), aber es gibt auch andere, gut verdienende und gesellschaftlich geerdete oder anders "rebellische/unkonforme", die das BGE politisch einfordern oder gar wirtschaftlich ausprobieren, die dann mit Sicherheit wenn dann andere Traumata haben oder diese nicht (mehr) haben...

 

Soweit erstmal von mir, FriGGa Wendt, dazu.

 

Meine Frage an ihn wäre:

Welche Alternativen zum Bedingungslosen Grundeinkommen favorisiert Prof. Ruppert dafür, dass alle Menschen auskömmlich versorgt sind/sich versorgen können?

Oder auch "wem gehört die Welt"?

Oder ist das in seiner Betrachtung gar kein Thema und keine relevante Frage?


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